Samstag, 30. April 2011



Und irgendwann nerven Menschen. Sie sind zu krank, zu laut, zu fröhlich, zu lebendig und zu zeitaufwendig. Plötzlich sind alle Geräusche eine Note, Gespräche unverständliches Brummen. Du willst nicht ihre Probleme, nicht ihren Erfolg. Möchtest dein Seufzen nicht hören. Dann liegst du da, mit Musik auf den Ohren, weil du deine eigene Stimme nicht ertragen kannst. Weil du zu viele Fragen an dich hast, hasst, ohne Betroffenen. Rennst, ohne Herz in der Hand. In einem Land, in dem du alles darfst und sein kannst. Außer alleine zu sein. Kann es sein, dass du krank bist? Sonst bist du laut, fröhlich und lebendig. Hast du Zeit? 
Und irgendwann brauchst du die nervenden Menschen. Weil das Leben mit nur einer Stimme sehr eintönig ist. Hand aufs Herz..



Stadt- Land- Lust







Dorf ist doof, haben wir mal gesagt. Auf auf's Dorf, sagen wir jetzt. 
Lieben Dank, Maren, für die entspannten Stunden
und die fachmännischen Kommentare.
Ich denke, wir sollten dieses Pony kaufen.



Mehr Worte.



So eine Schreibblockade ist nicht gut. Es hilft nichts, kein Kaffee, keine Schokolade. Man kann keine Worte im Kaufladen kaufen, keine Sätze ersteigern, sich nur reinsteigern und versuchen, keine Probleme abzuladen. Vor Allen, vor allem.
Die Geschichten sind erzählt, verflogen, die Worte gewählt, unter Freunden. Ich berichte, sie erzählen mich weiter. Heiter, vom Penisabschneiden, ungelogen, vom Leben am seidenen Faden, einer Erektion im Op und von meiner Rettung eines Nazis. Von der Amputation des Zeh‘s und von schlaflosen Nächten, dank Urologie und den vielen Gemächten. 
Der Alltag romanfähig, doch es braucht mehr. Meer oder Worte. 


Dienstag, 12. April 2011

Kalt, kälter..





Es riecht nach Sommer, nach Leben und Erleben. Die Vögel stecken ihre Schnäbel noch ins Federkleid, ich steuere Richtung Sonnenaufgang. Ein Blick nach links Richtung Alex, ein Fahrradfahrer weicht mir aus. Klingeling. Schritte größer, Tempo anziehen, Gedanken mal eben ausschalten, Turbo an und ab in die Bahn. Meine Augen haben sich an einem Plakat eines Forschungsinstituts festgesehen. Irgendwas von Depressionen steht dort geschrieben. Heute lese ich nicht, blicke in geschwungenes Schwarz. 
Arbeitskleidung an, die obligatorischen Big Red Zimtgeschmackdosis dank Thommys Kaugummivorrats einwerfen, Auto checken und auf die Dinge warten, die da warten, geschehen zu können. 
Piep Piep.
Der Alarmzettel kündigt eine womöglich leblose Person an.
Der Gang ist lang. Haben Sie uns gerufen? Kommen Sie herein. Wir sind uns nicht sicher, ob sie tot ist, aber es spricht einiges dafür. Zwei alte Tantchen, sie reden sich den Schock von der Seele. Ein altes Telefon, ein hässlich grüner Teppichboden. Einmal rechts rum und da liegt sie. Im Sessel eingesunken, Gestank. Ein schwarzer Pudel liegt neben dem Sofa, ein kleiner Mann mit einem winzigem Hund und Kugelbauch, starrt. Als warte er auf den Bus. 
Ihr Gesicht ist mit einem Küchenhandtuch abgedeckt. Wohl doch sicher, dass sie tot ist, nä? Denke ich. Kollege B zieht das Handtuch weg, viele kleine schwarze Flecken ziehen sich über Nase und Mund. Bewegen sich, fliegen. Fliegen!! Die Leichenstarre hat bereits eingesetzt, löst sich womöglich gerade wieder. Check‘ mal die Pupillen. Ich ziehe den Reißverschluss meiner Jacke noch ein bisschen höher, verstecke meine Nase darin und schreite an die Person heran. Handtuch wieder weg, am besten, du wischst die Fliegen gleich mit weg. Blut, Erbrochenes, irgendetwas klebt an Mund und Hals. Laute Stimmen dringen aus dem Flur. Wo hat sie denn das Geld? Sie hat doch alles gespart. Vielleicht hat sie es ja in einer Box? Ich höre eine Schublade. Worüber rege ich mich hier auf. Dass sie ununterbrochen reden, wo doch der Rest schweigt? Weil sie über das Geld reden? Schubladen bitte zulassen. Die Kripo kommt gleich, nichts verändern. Mit der Pupillenleuchte bewaffnet (Maria, sie ist tot, da reagiert nichts, hätte ich mir sparen können) schreite ich an sie heran. 
Ich fasse mit der Hand den Kopf, die Stirn, und erschrecke. Was ich fühle ist kalt. Eiskalt. Ich fasse hier gerade keinen Menschen an. Kein Leben, keine Wärme, keine Falte. Vielleicht habe ich gezittert. Ich ziehe ihr Augenlied nach oben, eindeutig entrundet, kein Schwarz, keine Augenfarbe zu erkennen. Schnell die Hand weg. Das Auge bleibt offen. Schnell wieder zu. Das versteht man also unter Augen zudrücken. Scheiß auf die Sardellenwitze. Mir ist kalt. Ich decke Frau W mit einer Decke zu. Bedecke nicht nur ihren Körper sondern auch ihr Gesicht. Übergabe an die Polizei, auf Wiedersehen, kein auf Wiedersehen.
Ich sitze in der Sonne auf dem Hof der Wache. Meine erste Leiche im Rettungsdienst, der erste kalte Mensch. Viele weitere werden folgen, aber kälter wirds nicht. Das beruhigt mich. 



Samstag, 9. April 2011

Sommer in Sicht.










Man sollte sich nicht auf glattes Eis begeben. Oder brüchiges? Trotz scheinbar brüchigem läuft alles glatt. Die Leidenschaft zum Job macht sich bezahlt, es gibt kein „in die Hände fallen“ sondern ein Umfallen vor Freude. Beruflich wächst das Gras. Langsam aber sicher, grasgrün, dick und saftig. Glück im Job.. glücklich mit dem Rest, glücklich, wie alles ist. 






Montag, 4. April 2011








Liebe daheimgebliebenen Kursteilnehmer,

nach einer 12 stündigen Nachtschicht auf dem Rettungswagen war ich gerne bereit, euch motiviert einen Lebensrettende- Sofortmaßnahmen- Kurs zu geben. Schön, dass kein Einziger von euch aufgetaucht ist. Ich habe schon zu besseren Zeiten an besseren Orten gewartet. Viel Spaß am nächsten Wochenende. Ich bin raus.

Schüssi.





Sonntag, 3. April 2011

Speedy.


Speedy nimmt Speed - und wir nehmen Speedy mit. An einem Straßenrand sammeln wir ihn auf. „Ich habe etwas Schlechtes gegessen.“ Das sagt Speedy immer, bevor er rausrückt, sämtliche Tabletten eingeschmissen zu haben. Nervös zappelt er auf dem Stuhl herum. „Geht schon wieder!“, sagt er. Geht schon wieder? Er tippt sich ständig mit dem Zeigefinger zwischen die Augenbrauen, die Augen aufgerissen, sitzt mir vorübergebeugt gegenüber, macht mich nervös. 0,5 Gramm Speed, ist das viel, ist das wenig? „Haben Sie sonst noch etwas eingeschmissen?“ „Nein. Aber haben Sie mir vielleicht eine Tavor?“ Speedy kennt sich aus. Und auch in der folgenden Nacht treffe ich ihn, in der Notaufnahme im Krankenhaus.

Freitag, 1. April 2011




Ich wollte dich verlassen, nicht sie.



2009

Viele Lieder sind tot, seit wir gestorben sind. Seit ich uns das Leben nahm. Als es sich nicht mehr lohnte, dich weiter zu gießen. Die Parasiten zu verscheuchen, die an dir knabberten. Zu mir herüber wanderten, mich einnehmen wollten. Seit es sich nicht mehr lohnte, dich in die Sonne zu stellen, damit du wachsen kannst. Ich habe dich umgetopft, hinaus in die Welt getragen. Mit Gewalt versucht, das Schöne in dir zu sehen. Wir haben viel gesehen. Die Orte sind nun leblos, hängen erschöpft um den Globus herum. Ich drehe ihn ab und zu, aber mir wird nicht mehr schwindelig. Die Orte wollen nicht mehr entdeckt werden, liegen ohnmächtig vor mir. Die Ecken im Atlas sind herausgestrichen, Konzerttickets liegen verstaubt unter der Heizung. Die Cds von dir sind zerkratzt, kaum hörbar. Ich höre dich nicht mehr, aber es hört nicht auf. Weil ich nicht loslassen kann, von dem, was wir liebten. Vielleicht das Einzige, was wir teilten.

Ich wollte dich verlassen, nicht die Musik.

Es sind Akkorde, die mein Gesicht fassen, mich streicheln. Die gehauchten, gezupften und geschlagenen Noten, Berührungen. Das Zarte, das Bewegende, das Faszinierende. Das Ergreifende, das bist nicht du. Es sind unsere Lieder, die mich liebkosen, die mir zarte Tränen entlocken. Weil sie schön sind, weil es schön war.
Ich konnte durch deine Blätter die Sonne nicht mehr sehen, habe sie aus meinem Gesicht geschoben, deine Hände, die Noten. Reihte die Lieder wie Leichen am Wegesrand auf. Beim Laufen raschelte das Laub. Den ganzen Herbst.

Der Weg ist ein anderer, jetzt.

Die Leichen habe ich nicht mehr gesehen, mein Blick ging gerade aus. Die letzten Wochen, ich habe nicht bemerkt, wie sie sich zu bewegen begannen. Sie ihre Augen öffneten, aufstanden und auf mich warteten. Morgens, wenn ich zur Ubahn lief.
Jeden Tag bin ich den selben Weg gelaufen und dann waren sie da, die Lieder. In meinem Ohr, in meinem Herzen. Und nun begleiten sie mich, sie leben. Ich lebe.





2011

Und manchmal wünschte ich, es hätte eine Entscheidung gegeben, deinerseits. Weil ich weder sie noch dich verlassen wollte.