Montag, 27. Februar 2012

Ich bin umgezogen:



http://112binicke.blogspot.com/



Dienstag, 6. Dezember 2011

Montag, 5. Dezember 2011

Es muss am Schnee liegen. Am fehlenden Schnee. Ich bin wohl der einzige Mensch, der sehnsüchtig auf die Flocken wartet. Vorher kann ich keine Geschenke kaufen. Aber ich muss. Weihnachten wird unter dem Baum entschieden, heißt es. Morgen werde ich mir einen Zettel in die Jackentasche stecken und einen Stift. Ideen festhalten, Schaufenster skizzieren. Und hoffentlich leuchtende Augen malen.


Der Wecker ist kein Feind mehr, der Schlaf nicht mehr dein Freund. Freuen ist Überleben, dein Alltag ein Weinen. Ehrgeiz der Spaten, deine Kraft der Sarg. Kein Verstecken, weil keiner mehr sucht. Du hast kein Ohr, nur dummen Antworten. Es ist plötzlich Winter ohne letzten Sommer. Der Herbst nimmt die Freunde, der Winter dein Leben? Ich entscheide mich dagegen.

Dienstag, 25. Oktober 2011





In der Grundschule wollte ich Lehrerin werden. In der 9. Klasse wollte ich immer noch Lehrerin werden. Dann wollte ich was mit Medizin machen. Mein Praktikum machte ich beim Rechtsanwalt. Dann wollte ich Medizin studieren. Dann habe ich Werbung studiert. Dann wollte ich Medizin studieren. Dann wurde ich Rettungssanitäter. Danach Rettungsassistentin. Und jetzt bin ich Lehrerin. Und mache irgendwas mit Medizin. 



Sonntag, 9. Oktober 2011

Oh nein.




Ich möchte nur zur Arbeit. Sitze in der gelben Schlange, die sich ihren Weg durch den Berliner Untergrund sucht. Es sind nur wenige Stationen. Die Türen öffnen, ich blicke nach draußen. Oh nein, das ist mein erster Gedanken. Weil ich ahne. Weil man irgendwann ahnen kann, wenn man mit Verrückten zusammenarbeitet. Ich sehe eine junge Frau. Oh nein. Nachdem sie sich in die UBahn manövriert hat, setzt sie sich. Alle gucken, alle gucken weg. Bleib stark, Marzipan, stark bleiben. Die Frau piept. Kann ja nicht wahr sein. Nun bin ich seit Wochen nicht mehr in der Rettung und nun kommt mein täglicher Psych direkt zu mir in die Bahn. Marzipan, du guckst da nicht hin, nein, geh nicht, nein! Du brauchst nicht helfen. Du bist hier nur auf dem Weg zur Arbeit. Verdammt. Die nächste Haltestelle muss ich aussteigen. Noch hat sich keiner der Fahrgäste gezuckt. Meine Beine tragen mich wie durch Zauberhand zu der jungen Dame. „Wie geht es dir?“, frage ich. „Scheiße!“ „Naja, kommst du klar? Ich meine, du darfst sicherlich nicht hier sein, gerade...“. Dann brüllt sie mich an, versucht nach mir zu schlagen. Alles klar. Die Türen öffnen sich, ich steige aus.  Sie nicht. Gut so! Ich zücke mein Handy. Marzipan, du Verräterin. Ich habe noch nie die 110 gerufen, mein erstes Mal. Während ich die Rolltreppe hochfahre, geht der nette Mann ran, ich spreche. „Ich habe hier eine junge Frau zu melden, in der U-sowieso, sie ist aus dem Krankenhaus abgehauen und müsste in 5 Minuten an der Endhaltestelle sein. Wie alt? Ca. 18 Jahre. Und glauben Sie mir, Sie ist gut zu erkennen. Sie ist barfuß, trägt ein OP-Hemdchen und führt einen Infusionsständer samt Infusion und piependem Tröpfchenzähler mit sich. Und renitent ist sie auch. Gern geschehen.“ Ja, es ist nicht mein Bier. Aber warum versucht man in seiner Freizeit, kein Retter zu sein? Weil es cool ist, genervt zu wirken. Weil man sagen kann, was geht mich das an, sollen sich andere drum kümmern. Ich bin ein schlechter Retter.


Donnerstag, 22. September 2011

Ein Mitschrieb.

Hurra, hurra, der Papst vor'm Altar. Es folgt nun ein kurzer Mitschrieb der Liveübertragung des ARD's.


Wer nich in der Kirche bleibt, wird vergehen, wie eine Weintraube. Wir bringen dir den Kelch des Heiles, schenke uns Christi Blut - geil, Latein - jetzt und in Ewigkeit - ui, der alte Mann singt aber schaurig, Lalalalala - komm uns zu Hilfe mit deinem Erbarmen - was is mit den Armen - Jesus Christus kommt, und die Macht und die Herrlichkeit auch. Der Friede des Herrn sei jederzeit mit euch, YEAH, Friede, mein Segen - ist der Stuhl zu groß oder der Papst zu klein? Wer von diesem Brot isst, wird ewig leben - geil- oh nein, der Papst erstickt - hust, prust - 70.000 Oblaten, ui, unter den Empfängern ist ein Paar, das schon seit 25 Jahren verheiratet ist (bei RTL würde jetzt das Wort „gleichgeschlechtlich“ fallen) - oh, eine Trage, eine schwerkranke Frau, das is ja nett. Oh, die Malteser, im Auftrag des Herrn, toll! Und der Herr Wachleiter ist auch am Start. 80.000 Hostien wurden gebacken. Ey, vorhin waren es noch 70.000 - hört auf zu Knabbern, liebe Schäfchen, mir wird langweilig. Sicher hätten noch mehr Gläubige den Weg ins Stadion gefunden, aber aus Sicherheitsgründen.. - wo sind eigentlich die Demonstranten? Musste man - oh, der Dirigent heißt Harald Schmidt - musste man am Eingang nich nur seine Waffen sondern auch seine Meinung abgeben? La la la - Teleshoppingmusik. Die Frau am Mikro is bestimmt Katholikin, die weiß einfach so viel - oh, der Schmaus is vorbei - wieder in Stille irgendwas denken und verehren. STILLE MAAAAAN, halt den Mund Frau Mikrofon.. ich muss über was nachdenken ---------------------------------------------------- oh, eine E-Gitarre, der Papst is sowas von modern. Ich würde das Magentakleid tragen, das Grün ist zu gelbstichig. DER SEGEN.. sanctuuuuus und einmal Amen. Gehet hin in Frieden - jup. Jetzt ist es gleich vorbei. Winke, winke - haaaalt stopp! Was ist mit meinen Sünden? Ich war extra nicht auf Toilette!!! Da geht er dahin. Die Fösche laufen nun auch aus dem Stadion. 1,5 Stunden, hach, verflogen ist die Zeit. Vergeben? Niemals.

Montag, 19. September 2011

Ohne Worte.




Hängen lassen?






Narben sind hässlich. Verschwinden nicht, erinnern. Erinnern an den Kampf mit einem Hai oder an den Einsatz im Krieg gegen das Böse. Oder einfach nur an einen Sturz. Und dann gibt es Narben, die sieht man nicht. Damit meine ich nicht den Psychokram, sondern Narben, die nicht zu sehen sind. Wie bei Steffi.

Steffi hat die Zeit vergessen. Die Zeit, als sie Jahr für Jahr in der Klinik lag. Angefangen hat das mit 16 Jahren. 
Man spaltet ihr den Oberkiefer. Er soll größer werden, der liebe Gott hatte bei Steffi gespart. Steffis Besuch im Krankenhaus steht kreidebleich vor ihr, während unbemerkt und unentwegt Blut aus der Nase läuft. Ihre einzige Sorge, die taube Zunge. Die Zunge kommt zurück, die Wangen erst, als die nächste Operation an die Türe klopft. Diesmal soll der Oberkiefer in Scheiben geschnitten und nach hinten gesetzt werden, und nach oben. Oberkiefer eben. Nach einer fünfstündigen Operation wacht sie auf der Intensivstation auf. Die Familie darf nach fünf Minuten gehen. Sie hat keinen Kopf dafür. Ihr gesamtes Gesicht ist umbunden, Schläuche aus Nase und Mund. Ihre Augen weit aufgerissen. Dann eine Woche geschlossen. Eine Woche des Wartens. Ihre beiden Kiefer passen nicht aufeinander. Es hatte während der Operation Komplikationen gegeben. Sie ist innerhalb weniger Minuten sehr stark angeschwollen. Liegt vielleicht daran, dass Steffi gegen Soja allergisch ist und die Narkose aus Propofol besteht. Das wiederum eine einzige Sojasuppe ist. Eine Woche später wartet sie auf eine Wiederholung der Operation. Ihr Mund ist mit Draht zugebunden, wird gleich wieder aufgerissen werden. Die Ärzte der anderen Kliniken streiken und so kommt sie erst gegen Mitternacht auf den Tisch. Sie verabschiedet sich von dem Leben.

Viele Monate kann sie nicht sprechen, mag nicht sprechen. Ihr Mund bleibt geschlossen. Sie lernt das Sprechen, das Darübersprechen.

Die vielen Schmerzmittel reißen ihr nicht nur an der Seele sondern auch an den Haaren. Einmal im Jahr ist Weihnachten, einmal im Jahr sieht Steffis Kopf aus wie eine kugelrunde, fette Christbaumkugel.
Nach der vierten Operation - Steffi wacht auf. Sie ist den ersten Tag wieder zuhause, möchte aufstehen, stürzt. Versucht sich aufzustellen, fällt. Ihr linkes Bein kann sie nicht tragen, die linke Hand nicht stützen. Sie versucht sich hinzustellen, fällt. Nach ein paar Minuten ist das Schauspiel vorbei.

Die Zeit heilt alle Wunden.

Sie blicke in den Spiegel, zeigt sich die Zähne. Ihr linker Mundwinkel zieht sich nach unten, der rechte lacht. Armdrücken kann sie nur mit rechts, der linke Arm ist lächerlich schwach. Wer macht sich schon einen Kopf, warum das so ist.

Die Nase spürt sie wieder, ihre Lippen sind aufgetaut, die Partie unter dem linken Auge ebenfalls.
Nur ihr Mundwinkel schweigt.

Marzipan lächelt. Und wenn man genauer hinsieht, lächelt jeder Mundwinkel für sich alleine. Der eine mehr, der eine weniger.


Montag, 12. September 2011

Lebensfreunde.

















Schwesterherzen.



Um 20 Uhr sind wir mit Mama und Papa verabredet. Berlin hat 3 Mio. Einwohner und zwei davon steuern auf die Landsberger Allee zu. Ich sitze in der Ringbahn, schlecht gelaunt wie immer. Menschen riechen nicht gut. Nicht so viele auf einmal. Und nicht, wenn es draußen dunkel ist. Ich blicke aus dem Fenster, vielleicht sehe ich Schwesterherz zufällig beim Einsteigen. Vielleicht kommt sie aus dem Prenzlberg von der Arbeit. Kein Schwesterherz zu sehen, ich blicke auf mein Handy. Ich werde ihr schreiben, dass ich gleich am Zielbahnhof bin. Ihr Foto blinkt auf, ich nehme ihren Anruf entgegen. „Hey, ich wollte dir gerade..!“ Die S-Bahn Türe schließt sich, ich höre das Tuuut Tuuuut Tuuuuut. Ich blicke auf die Türe, in meinem Ohr das selbe Tuten. „Ebbie, ich höre das selbe...!“ Sie: „Maya, ich hör dich ganz schön nah an meinem...“ Plötzlich fasst eine Hand von hinten an meine Schulter. Der Schreck ist groß, der Anblick riesig. Rücken an Rücken mit Schwesterherz. Ich lache laut, sie lacht, ich lache, sie lacht, ich lache, sie lacht, die Fahrgäste um uns herum lachen. „Bist du bescheuert, mich so zu erschrecken?“ Sie schüttelt sich vor Lachen. Sie hatte mich nicht gesehen. Keiner wird uns diese Geschichte glauben.

Sonntag, 21. August 2011

Es bleibt.



Es ist ein Kopfschütteln, über Stunden. Die Stufen der Treppe zum Eingang scheinen höher, der Gang zum Altar weiter als sonst. Der Blick will nicht nach Vorne sehen, starrt auf die Füße, die sich immer weiter fortbewegen, bis hin zur ersten Reihe. Es ist Fassungslosigkeit, fast nicht zu ertragen. Es gehört sich nicht, dass es Särge auch in klein gibt. Dass Eltern vor einer geschmückten Kiste sitzen. Ihr Kind nicht in den Armen halten sondern hinter ihm Richtung Friedhof laufen müssen.
Was tun, wenn die Tränen fließen, der Mund lautlos offen steht, die Finger sich verkrampft an einer Sonnenblume festhalten. Mitgefühl einen ohnmächtig macht, Hände schütteln wie Ohrfeigen sind. Du möchtest singen, ein letztes Mal, merkst, dass die Töne entgleiten. Du schüttest Erde auf diesen kleinen Menschen, statt ihn später einmal gießen zu können. Es gibt nur ein Hinnehmen und Abschied nehmen, kein Verstehen. Sie geht, du gehst. Das Kopfschütteln bleibt.





Just in time für Fortgeschrittene.



Um 6 Uhr am Flughafen Schönefeld, ja? Kein Problem, ich werde pünktlich sein. Schließlich ist um 14 Uhr schon die Beerdigung der kleinen Martha, im tiefsten Schwarzwald. Und zu Hochzeiten und Beerdigungen sollte man nicht zu spät kommen. Man sollte nie zu spät kommen, denn wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Habe ich verstanden!

Wenn ich um 6 Uhr am Flughafen sein soll, dann muss ich um 3 Uhr nachts aufstehen. Das ist nicht machbar. Die RedBull Dosen reihen sich auf der Fensterbank aneinander und an Schäfchen zählen ist nicht zu denken. Mein Plan scheint aufzugehen, kein Schlaf, kein Verschlafen. Dafür werde ich bezahlen müssen.

Es ist 2 Uhr. Alle Serien sind gesehen, alle Dosen geleert. Duschen? Packen? Ich könnte doch nur eine Stunde schlafen. Wecker auf 3 Uhr und die Bettdecke über den Kopf.

„Ring, ring, ringr....r..r..ring..“
Wo ich bin? Wo ich bin? Sag, wie viel Uhr ist es!!!!

Das Leben hat die Nase voll von meinem Zeitmanagement.

Fuck! Fuck fuck fuck!! Ich drehe mich wie ein Kreisel durch mein Zimmer, schnappe mir ein Handtuch und die Klamotten. Duschen, Haargummi rein und irgendwie angezogen aussehen. In meinem Zimmer stecke ich alles, was mir für einen Tag Abwesenheit wichtig erscheint, in meine Tasche und renne aus dem Haus. Statt 3 Uhr ist es nun bereits kurz nach fünf. Ich reiße die Tür eines Taxis auf, springe hinein: „Einmal zum Flughafen, schnell schnell, fahren Sie los!“ Er sieht mich an, ich sehe vertrauenswürdig aus. Eine Vertrauenswürdige auf der Flucht? „Los los! Ich muss um 6 Uhr am Flughafen sein!“ Er tritt in die Pedale. „Haaaaaalt!“ Ich sehe eine Sparkasse. „Halten Sie bitte ganz kurz an, ich habe keine Kohle dabei, ich muss noch eben was abheben.“ Der Taxifahrer schaut mich an, ich glaube er sieht, dass die Lage ernst ist. Wir flitzen durch halb Berlin.

Zeitmanagement ist alles.
Alles, nur nicht billig.

Ich blicke kurz auf die Scheine, die ich dem Taxifahrer in die Hand drücke. Dann drücke ich mein Schwesterherz, blicke auf die Uhr und bin glücklich. 6 Uhr.


Freitag, 19. August 2011

Leiden unter Eingeweiden.



Heute besuchen wir eine Leiche. Der Name GERICHTSMEDIZIN klingt ebenso spannend wie bedrohlich. Ich habe schlecht geschlafen, möchte kein Weichei sein. Die Kühlschranktür bleibt geschlossen. Nur Weicheier füllen ihren Magen, meiner bleibt flau.
Ich unterschreibe, dass nichts aus den kalten Hallen nach außen dringt. Ganze drei Stunden verbringe ich mit kontinuierlicher Übelkeit. Man zieht einem Menschen nicht seine Frisur über das Gesicht, man schneidet nicht mit einer Geflügelschere die Rippen entzwei und der Kochlöffel gehört in die Suppe und nicht in die Blase.
Einst waren es gierige Blicke in das Innere eines Menschen, heute sind es Augenblicke der Selbstbeherrschung. Es ist kein echter Mensch, zumindest ist er mausetot. Du hast schon so viele tote Menschen gesehen. Ich fasse den Magen an, das Herz, die Rippen. Faszination trifft Ekel. Es gibt nur einen Stuhl. Ich setze mich, versuche ausschließlich durch den Mund zu atmen. Die Pathologin drückt den Stuhl aus seinem Darm. Ich blicke lieber schnell zur Seite. Mein Blick bleibt am Gehirn hängen, das einsam auf dem Nachbartisch liegt. Mensch, du hast in diesem Moment aufgehört, ein Mensch für mich zu sein.
Sie stopfen Pappe in den leeren Schädel und nähen grob seinen Hinterkopf an seinem Gesicht fest.
Mit gesenktem Kopf laufe ich nachhause. Das Weichei wird nie Pathologin werden. 


Sonntag, 7. August 2011














An Zuhause.



Liebe Mama, lieber Papa,

ich freue mich so sehr, dass ihr mich bald besuchen kommt. Programmpunkte gibt es viele, was das Essen betrifft. Papa, möchtest du vielleicht zu einem Fußballspiel ins Stadion? Ich war letzte Woche beim 1.FC Union Berlin. Hätte dir gefallen!!

Wenn das Wetter schön ist, gehen wir mal auf unser Dach. Die Leiter vom Dachboden ist furchtbar aber der Blick über Berlin wird euch umhauen. Ich möchte mit euch frühstücken, Papa, du bekommst Honig und Mama und ich gönnen uns ein Croissant. Das „Familie-sein“ fehlt mir hier so sehr. Schwesterherz und ich arbeiten einfach zu viel und sehen uns kaum. Ich werde am Flughafen sein, viel zu früh. Weil die Zeit zwischen dem letzten Wiedersehen und jetzt einfach viel zu lang war.

Ich verbleibe wie immer mit den besten Grüßen,

Tochter Maria

Samstag, 23. Juli 2011

Besucher.






Kommen und gehen.



„Ja und dann reanimierst du auch und so?“
Am Anfang habe ich für jede Reanimation einen Kuchen für meine Kollegen gebacken. Für mich war das die Königsklasse. Eine tote Person wieder zurück ins Leben holen, mann mann mann. Auf dem Brustkorb rumzuspringen, beatmen. 
Nun habe ich Muskelkater, bin schlecht gelaunt weil ich rechtlich anfangen musste und einen bereits totkranken Menschen auch noch bettlägrig und zudem noch dumm gemacht habe. Und es ist viel zum Aufräumen, alles zu desinfizieren, alles aufzufüllen. Der Kick ist weg. Wir reden normal beim reanimieren, es wird über Essen, Autos und Frauen geredet. Und über den Patienten. Ich möchte gar nicht wissen, ob er auch nur ein kleines bisschen davon mitbekommt. Die Rea geht, die Arbeit kommt. 


Wasserstrahlen.





Alles nur gespielt.



Kinder stellen Fragen. Fragenstellen ist gut für Kinder. Schließlich sollten sie irgendwann mal schlau werden. Wenn Kinder im Rettungswagen Fragen stellen ist das eine Ausnahmesituation. Warum ist die Trage orange und das Gerät hier an der Wand auch? Was ist das für ein Gerät? (Erkläre mal kindergerecht einen Oxylogen.) Warum hast du Handschuhe an und warum sind die blau? Und was ist das? Ich blicke auf den Defi, damit kann man Blutdruck, Frequenz und die Sauerstoffsättigung messen, 12er EKG schreiben, Herzrhythmusanalysen starten, kardiovertieren, schocken. (Ein kleines Kind wird keinen der Begriffe kennen.) 
Ich erkläre alles sehr einfach, habe beim Sprechen das Gefühl, der deutschen Sprache nicht mehr mächtig zu sein. Um 3 Uhr nachts ist mein Wortschatz sowieso schon äußerst eingeschränkt oder von Vorn herein auf Suffimodus eingestellt. Nach 10 Minuten Fahrt blickt sich Melissa noch einmal genau um:
„Hier kann man sicher gut spielen!“

Samstag, 16. Juli 2011

Lichtorgie.







Für unsere außerirdisch kranken Mitbürger des Märkischen Viertels ab sofort nur das Beste!!

Unser neuer Rettungsschlitten scheint einer fernen Galaxie zu entstammen. Von außen könnte er geschwungener und windschnittiger kaum sein und blaue Blitze folgen uns durch die Straßen. Öffnet man die Türe und blickt hinein, könnte man sich in einer Einraumdisco wiederfinden. Eine reinste Lichtorgie ist das. Der Fußboden gleicht eher dem eines Swimmingpools aber es lässt sich sicherlich eine gute Poolparty darin feiern.
Wenn es Pink gibt, dann fahren wir auch in pink.
Ich unterdrücke meine Aggressionen, die sich nach vierstündigem Pink langsam aber sicher ansammeln. Frau Bauch ist in der 33. Woche schwanger und hatte möglicherweise einen Blasensprung. Verängstigt liegt sie auf der Trage, ihre Mutter sitzt am Kopfende. „Frau Bauch, wissen Sie, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird?“ „Es wird ein Junge.“ Ich muss schnell reagieren, wozu haben wir hier diesen Schnickschnack. „Uh! Dann muss ich mal eben die Farbe hier ändern!“ Ich stehe auf und ändere die Beleuchtung von Rosarot zu Bubenblau. „So muss das sein!“ 
Sie blicken sich gegenseitig in blaue Gesichter und stellen keine weiteren Fragen. Gefressen!!


Freitag, 15. Juli 2011

Vom Sofa in den Kühlschrank.



Es ist 2 Uhr nachts. Alles wie immer heute, das selbe Licht, die selbe Ruhe, hier hinten im Rettungswagen. Ich gähne, blicke auf die Trage. Sonst sehe ich ab und zu auf den Brustkorb des Patienten. Heute ist es anders, ein anderes Licht, eine andere Ruhe. Der Schweiß auf meinem Rücken ist gerade wieder am trocken, ich wische den Dreck von meinen Knien. 
Sein Gesicht hatte vorhin noch alle Farben. Erst blau, dann rot, dann rosig, dann blau. Jetzt ist es weiß. Ein Patient, mit dem ich nicht geredet habe. 
Ich blicke auf die vielen Kabel, Spritzen, Monitore. Nichts zu überwachen, ich habe vorhin auf aus gedrückt, vorsichtig die Fast Patches von seiner Brust abgezogen. Er hat die Augen geschlossen. Ich atme tief durch die Nase ein, nein, es riecht nicht anders. 
An der Rettungsstelle angekommen steige ich erst einmal aus. Alle steigen aus. Der Kollege zieht die Trage aus dem Wagen. Und jetzt? Jetzt ziehen wir ihm die Decke auch übers Gesicht. 
Wir schieben ihn schnell. Durch die Notaufnahme, an der Intensivstation vorbei, durch einen langen Flur bis zum Schild der Pathologie. Vom Sofa in den Kühlschrank. Das ganze innerhalb einer Stunde. 
Es ist tatsächlich kalt. Ich denke noch kurz nach, was ich denn gerade so fühle, ich fühle nichts, also halte ich mich an der Trage fest und fahre mit hinein. 
Füße, Füße, Füße. Die Neugier schlägt die Angst und so laufe ich an den Baren entlang. Schreite viele Zehen ab.
Und dann geht das Licht aus.
Ich schreie. Drehe mich um. Reflexstreifen rennen Richtung Ausgang. Ich nehme meine Beine unter die Arme und laufe so schnell ich kann. Am liebsten hätte ich ihm in die Fresse geschlagen. 
Abgeschlagen sitze ich hinten auf der Stoßstange des Rettungswagen und beiße auf einem Plastikbecher herum. Er war 75 Jahre alt. Genau wie mein Vater. Das ist der Gedanke, der bleibt.



Mittwoch, 13. Juli 2011









Ich werde noch einmal studieren. 
Mit Herzblut. 
Werde nicht mein Leben lang Menschen tragen,
aus der Scheiße holen oder
in ein Leben zurückschießen,
das sie nicht mehr glücklich macht.
Ich glaube, das macht mich glücklich.





Running Gag der Nacht.

Karla hängt kotzend über der Klobrille. Die Haarspitzen berühren den Wasserspiegel, ihre Ellenbogen stützen sie ein wenig. „Karla, sieh mich an!“ Karla sieht mich nicht an. Ich packe sie an den Schultern, ihr Kopf wackelt, fällt unsanft gegen die Wand. „Karla, mach‘ die Augen auf!“, jetzt schon ein bisschen lauter und bestimmter. Dann anders. Ich reibe kurzerhand mit meiner Faust auf ihrem Brustbein auf und ab und schon sind die Augen offen. Ich lasse sie sich noch zweimal übergeben. „Karla, auf geht‘s, arbeite mal ein bisschen mit.“ Keine Faxen jetzt um drei Uhr nachts. 
„Ein bisschen mehr Anteilnahme, bitte.“ Ihre Tante steht im Türrahmen. 




Schleichend.



Meine Turnschuhe tragen das selbe Weiß wie meine Kleidung. Ich sehe klar aus. Alle sehen gleich aus. Nur meine Schuhe quietschen ab und zu. Ich habe nicht so tolle Pseudoschaumsstoffkrokodilschuhe.
Die Patienten schlafen. Und da sie immer schlafen, nie aufwachen, ist es immer dunkel. Man hört nur ihr Atmen, die Maschine, die sie atmen lässt. Ich mag diese Station nicht. Mich stört nicht das „konservativ“ im Namen, alles nur Halbtote. Hier auf der Intensivstation. Intensive Pflege, wenig Leben. Würde man den ein oder anderen Schlauch kappen, wäre die Luft nicht nur knapp sondern schlichtweg weg. 
Eine Leiche zum Frühstück, zwei weitere werden folgen. Es ist eher ein Endlich als ein Traurig. Ich male in den Kurven herum, mein Stift hat nicht umsonst vier verschiedene Farben. 
Viele sind steif. Ich drehe sie wie ein Brett von rechts nach links. Zum Furzen reicht es aber noch. Ich unterdrücke den Ekel und appelliere an meine Achtung vor dem Menschen. 
Seit Wochen war ich nicht mehr so schlecht gelaunt. 
Ein Patient hat Besuch. Im gelben Gewand steht eine Frau an seinem Bett. Ich schreibe gelangweilt, kaugummikauend die Werte des Bettnachbarn auf. 
Sie erzählt ihm von ihrem Tag, von den Vögeln draußen. Von den Fortschritten seines Enkelkindes, von dem Leben ohne ihn. Ohne eine Reaktion seinerseits. Ohne eine Bewegung, einem Schmunzeln, einem Lachen. Er ist weit weg. Weit weg von einem gemeinsamen Leben. 
Ich trug das gelbe Gewand, vor acht Jahren. Streichelte über ein gelbes Gesicht. Versprach, hoffte, betete. Ich war mir sicher, er würde es schaffen. Die Kurve verschwimmt vor meinen Augen.
Seit Wochen habe ich nicht mehr so geweint.
Es ist ein Schleichen. Ich verlasse den Raum, sie bleibt noch zwei Stunden. Er ist die Leiche Nummer drei.


Dienstag, 12. Juli 2011

Was besser ist.



„Absichtliche Vergiftung“ steht auf dem Alarmzettel. Meine Quotenintox, nenne ich sie liebevoll. Ich ziehe das an. Menschen unter Drogeneinfluss, Menschen, die ohne Drogen irre werden oder irre sind, weil sie einfach auf einem Tripp sind. Und manche nehmen Tabletten, um danach nicht wieder die Augen aufzumachen. 
Hanna ist wunderschön. Trotz ihrer blauen Lippen, ihrem wahnsinnigen Blick. Sie steht vor mir, irgendwie schief, kippt. Ich halte sie fest, schiebe sie auf die Couch und setze mich. M fragt nach dem Medikament, das sie genommen hat. Ihr Freund hat den selben Blick. Eine Tablette Blablabla. Auf der Straße gekauft, keine Packungsbeilage. „Und wo ist die Tablette jetzt?“ fragt M. „Ja in meinem Arm!“ Jetzt guckt auch M seltsam. „Wollen Sie mich verarschen?“ Sie zeigt auf die Einstichstelle. „Mit Wasser aufgelöst und i.v. gespritzt.“ Aha. Ich sehe ihren Hals, eine Kette von roten Einstichstellen. Ihre Arme sind vernarbt. Eine absichtliche Verletzung reiht sich an die andere. „Mit geht‘s gut.“ Vor wenigen Minuten soll sie aber noch nach Luft japsend auf dem Boden gelegen haben. M telefoniert mit dem Giftnotruf. 
Neben mir schlängeln sich irgendwelche Würgeschlangen durch ihr Terrarium.
Sie möchte nicht mit. Und plötzlich mag uns ihr Freund auch nicht mehr in seiner Wohnung haben. Treppen runter und auf die Polizei warten. 
Wenige Minuten später sitze ich mit Hanna und ihrem Freund im Rettungswagen. Ein Polizist steht zwischen ihr und mir. Gut gebaut, Kampfhandschuhe (das klingt schön gefährlich) und einem ruhigen Blick. Mir würde nichts passieren. Hanna greift sich immer wieder in die Haare. „Warum tust du mir das an?“ Ihr Freund blickt auf den Boden. „Wo bekomme ich jetzt den Stoff her?“ Sie schlägt mit der geballten Faust um sich, gegen die Schubladen, tritt gegen die Trage. Der Polizist bewegt sich nicht. Sie schlägt weiter. Wir halten an, alle Türen gehen auf, Pol und M ermahnen Hanna, sie möge doch bitte nicht den Rettungswagen auseinander nehmen. Solle sie noch einmal um sich schlagen werde sie fixiert. 
Türen zu, weiter. Sie ballt die Faust, sieht mich an. Ich lehne mich zurück, alles gut. Ihre Faust landet in ihrem Gesicht, einmal, zweimal, dreimal, viermal.. ihr Freund blickt zu mir herüber. „Und das ist jetzt besser?“


Samstag, 25. Juni 2011

Morgen.






Jetzt ist es raus.


Ich liebe Männer. Liebe es, wenn sie leidenschaftlich ihre Autos polieren, in der Öffentlichkeit genüsslich furzen und rülpsen. Wie sie sagen „Ich geh jetzt kacken“, wie ihre Blicke jedem Wesen folgen, das entweder blonde Haare oder Hupen hat, wie sie von ihrem letzten Fitnessstudiogang berichten oder wie sie nachts friedlich neben einem schnarchen. Wie sie mit großen Schritten in brennende Häuser rennen, ein verletztes Eichhörnchen vom Baum holen oder sich gegenseitig mit Wasser bespritzen. Ich liebe den tiefen Ton ihrer Stimme, ich liebe ihre kurzen Haare und ihre meist kahl rasierte Brust. Ich liebe ihre abfälligen Worte über fette Patienten und sehe ihnen gerne beim Essen riesiger Portionen zu. Ich liebe Feuerwehrmänner. 

Herz schlägt Kopf.




Ich verlasse dich jetzt, weil ich dich liebe. Weil du mich trägst, verteidigst, mich klüger machst, betrügst. Ich wollte alles, du vielleicht. Vielleicht sagt das alles, ganz oder gar nicht. Aus Gemeinsam wurde Einsam. 
Seit ich frei bin fesselt mich die Sehnsucht. Die Neugier zieht mich an den Haaren und die Unabhängigkeit ist meine Droge, eine Sucht nach dem Leben, einem Leben ohne dich und mich. 
Ich kann ihn nicht finden, den Glauben an Neues. Die Liebe ist scheu, sucht vielleicht nach deinem Gesicht. „Vergiss es“, habe ich ihr gesagt, zeige ihr ständig neue Gesichter. „Vergiss es“, sagt sie. 
Ich habe dich verlassen, weil ich dich liebe. 
Seitdem habe ich nie wieder eine Entscheidung mit dem Kopf getroffen. 

Donnerstag, 16. Juni 2011

Freitag, 10. Juni 2011

Kunst Blut.







Ich sehe was, was du nicht siehst.



Person in Notlage, die zehnte in zehn Stunden. Der Alarmzettel kündigt Gasgeruch aus einer Wohnung an. Beim Eintreffen scheinen sowohl Gasspezialisten als auch die Feuerwehr vor Ort zu dein. Ich schiebe langsam die Türe auf und schon wird mir eine kleine, zierliche Person hineingeschoben. „Einmal alles!“, so der Kollege. Ist das die Person aus der Wohnung? „Wie geht es dir?“, keine Antwort. Blass und abgemagert sitzt sie vor mir. „Was ist passiert?“ „Gasgeruch in meiner Wohnung, irgendwas geht da vor sich.“ Und was vor sich geht, bemerke ich nach wenigen Sekunden. Hier sitzt eine vollkommen verwirrte Frau vor mir, vollgepumpt mit irgendwelchen berauschenden Dingen und fernab jeglicher Realität. 
Toktoktoktok.. das Herz rast. Ihr Herz. Ich denke an Speedy von letzter Woche und an Superman von gestern. Superman hatte eine blaue, äußerst enge Supermanunterhose an und ein knappes Superman T-Shirt. Den ganzen Körper mit Sätzen und Zeichnungen bemalt. Und als Superman kann man natürlich ohne Bedenken vor irgendwelchen Zügen auf den Bahngleisen herumhüpfen. Kinder, die Drogen!!! 
„Weißt du, der Fernseher bezieht mich immer mit ein.“ Uiuiui. „Der spricht mich an, die Personen im Film sehen mir in die Augen und wissen Dinge, die niemand Fremdes über mich wissen kann.“ Ich schreibe mein Protokoll. Wahrnehmungsstörungen. „Da war dieser Gasgeruch, ich habe auf die Wand eingeschlagen und erreiche einfach meine Mutter nicht, irgendwas ist passiert.“ Sie weint. Taschentücher her und direkt fragen. Drogen? „Ja, ich habe gekifft und Speed genommen.“ Wie viel? „Ich kann dir das schon gar nicht mehr sagen.“ Machst du das jeden Tag? „Ja.“ Sie scheint das schon über Monate zu tun. Ab in die Psychiatrie, mit Sonderrechten. 
Tatüütataaa.. sie verzieht das Gesicht, greift sich brutal in die Haare, brüllt. Schiebt Panik aber es geht nicht anders. „Weißt du, da waren diese Fledermäuse, 3 Stück und das in meinem Zimmer.“ 
Ich denke an weiße Mäuse oder Elefanten in Kirschbäumen. 
„Ich habe Pakete bekommen, die ich nicht wollte, nie bestellt habe. Natürlich ab in den Müll damit, aber manche ließen sich einfach nicht zusammenklappen. Warum ist dieser Mann hier?“ Ich folge ihrer Blickrichtung. „Oh nein, oh nein, mein Opa, er ist tot, er steht hier, er sieht so tot aus.“ Sie weint. Ich schreibe auf das Protokoll: Pat. sieht tote Menschen. Nicht grinsen, Maria. Sie sieht mich an. 
Alle fünf Minuten beschimpft sie mich, dreht mir gefährlich die Worte im Mund um. Ich reagiere nicht darauf, warum auch, in spätestens zehn Sekunden geht es weiter mit ihren Bildern und Stimmen, die sie hört. „Sie haben mir die Unterwäsche geklaut und Schokolade hineingeschmiert. Ich habe das gesehen und..“ sie weint wieder. „Manchmal glaube ich, ich bin ein Computer.“ Sie fasst dich an die Brust.“ Nun trage ich ihre Personalien ein. 
Mein Jahrgang- nur in Haut und Knochen.
 „Da war eine Party, sie haben Chilipulver verstreut. Weißt du eigentlich, was Anke heute macht?“ Keine Ahnung. Sie schweigt. „Timo hat eine schreckliche Frisur, war er gestern bei dir?“ Nein, er hat sich seit Wochen nicht mehr bei mir gemeldet. 
Superman kannte mich übrigens auch, aus der Theatergruppe. Ich spiele kein Theater, weiß er aber nicht. 
Sie redet geschlagene 30 Minuten, endlich da. Ab in die Klinik, wir müssen an der Anmeldung warten. Sie macht auf dem Absatz kehrt und rennt nach draußen. Stehen bleiben!! Sie hört mich nicht. Wahrscheinlich bin ich nur eine ihrer vielen Stimmen. Draußen sitzt sie mit einer Zigarette, ich lasse mich daneben nieder. Sie beschimpft mich, alles kacke. Maria, kommst du mal? Die Psychiaterin lehnt sie ab, wir müssen zurück in eine andere Klinik. Das muss ein Scherz sein. „Meinst du, du bekommst das hin? Wird sie mitgehen?“ Ohne Tatüütataaa ganz bestimmt. Sie schimpft, wir einigen uns auf eine leise Fahrt und hopp zurück in den Rettungswagen. In einer Stunde ist Feierabend. 
„Da ist immer eine Party in unserem Flur.“ Die Party bei mir ist längst vorbei. Sie redet, ich nicke, antworte, frage. Den gesamten Weg zurück. 
Angekommen, ab in die Rettungsstelle und weg ist sie, rennt die Straße hinunter. Ich hinterher. Wenn sie jetzt geht, war diese eine Stunde Wahnsinn umsonst. Es ist warm und mein Kreislauf nicht mehr der Beste. Sie sitzt hinter den Büschen. Ihre Beine baumeln nach unten. 3 Meter. Ich setze mich neben sie. „Alles scheiße, ich will nur alleine sein, mich ins Bett legen.“ Es ist nicht gut, dass wir hier auf der Mauer sitzen, wenn sie abstürzt habe ich ein Problem. „Was sind das für rote Tiere? Ratten?“ Sie will aufspringen, ich bin schneller. Soll ich sie gleich am Kragen packen und nach hinten ziehen? Unter Alkoholeinfluss wäre sie hinabgestürzt doch so steht sie sicher auf der Kante. Los, lass uns reingehen. Tapp tapp tapp wieder in die Rettungsstelle. Schnell Leute, besorgt ihr doch ein Bett, wo ist nur die Ärztin. Ich spüre die Wut in mir aufsteigen. Meine Hände zittern, ich habe nichts gegessen. Grosse kommt kauend aus dem Schwesternzimmer. Schnell, hast du mir was zum reinbeißen? Er reicht mir eine Banane. Ich vergesse tatsächlich, dass ich Bananen nicht mag, dass ich fürchterlich Durst davon bekomme. 
Es ist die beste Banane meines Lebens. 
Ich blicke auf, sie ist weg. Nicht die Banane sondern meine Patientin. Hinter dem Gebüsch auf einer Wiese sitzend finde ich sie wieder. Rufe meinen Kollegen auf dem Handy an, er solle mir bitte nur dann Bescheid geben, wenn sie auch tatsächlich einen Plan hätten, wo wir mit ihr hin können. „Bring sie her, sie wird fixiert.“ 
Baaam.
Sie vertraut mir, ich führe sie ins Zimmer, ich drehe mich mit dem Rücken zu dem, was dann passiert. Sie kann nicht mehr weg. „Hört auf zu reden, ihr Opfer.“ Ich kann nicht mehr reden, will nicht mehr reden. Stelle mir nicht die Fragen nach dem Warum, wie es so weit kommen konnte, was aus dieser Frau noch wird. Was sie wird, leben oder demnächst sterben. Die Gedanken kommen nicht hoch, sammeln sich und drohen herauszubrechen. Ich schreibe auf meinen Handschuh „Ich will jetzt irgendwo reinschlagen.“ Grosse antwortet ebenfalls mit einer Handschuhbotschaft. Ich muss lächeln, das erste Mal seit mehreren Stunden. Zurück auf der Wache trage ich die Einsätze ein, wortlos. In der Tram setzt sich eine Frau neben mich, ich blicke sie an. Blaue, lange Schlagen zieren ihr Haupt.