Montag, 25. Oktober 2010



Backen ist toll! Backen um 03:00 Uhr nachts ist nicht toll. Das Ende: Schlechtes Erscheinungsbild des Kuchens und Weinen meinerseits. Die Butter war zu heiß, der Ofen zu kalt- heraus kam ein zu feuchter Kuchen und eine übermüdet verzweifelte Marzipan.

Mit zwei schwedischen Kuchen auf dem Rücken und der Lebhaftigkeit einer Krücke treffe ich auf der Wache ein. Meine beiden Beweisstücke „ich-hab-gebacken-sieht-aber-scheiße-aus-Kuchen“ präsentiere ich den Kollegen mit einer sagenhaften Gleichgültigkeit dank Müdigkeit.

Am Ende war der Kuchen und die Sache gegessen. 


Samstag, 23. Oktober 2010

Samstag.






Sag ruhig du zu mir, ich bin kaum älter als du. Weißt du, warum du hier im Rettungswagen liegst? Genau, du bist angefahren worden. Was für ein Tag heute ist? Überlege mal. Okay, ich helfe dir, es ist Wochenende. Wir haben heute Samstag, Frank. Deine Wunden habe ich schon versorgt, wir fahren nur noch ins Krankenhaus. Dein Handy? Haben deine Eltern. Wie sie da herangekommen sind? Kannst du dich daran erinnern, dass sie draußen bei dir standen? Ist nicht schlimm, das ist normal nach einem solchen Unfall. Ja, frag mich alles was du willst. Was für einen Tag wir heute haben? Wir haben Samstag, Frank. Dein Kopf tut weh, ja, bewege dich nicht. Dein Handy hat deine Mutter, sie ist schon auf dem Weg ins Krankenhaus. Frank, du brauchst nicht zu weinen, warte.. so.. wieder trocken. Es ist normal, dass du Aussetzer hast. Eine Frage? Frank, heute ist Samstag. Dein Geburtsdatum weißt du noch, oder? Schön. Was ist das Letzte, an das du dich erinnern kannst? Basketballtraining, okay. Versuch dich zu entspannen, ist nicht schlimm, wenn du was vergessen hast. Was für ein Tag heute ist? Samstag. Frank, schau mir nochmal in die Augen- danke. Klar kannst du mich was fragen. Samstag. 



Donnerstag, 21. Oktober 2010

 
Kinderspielplatz/ Kreuzberg.


Manchmal muss man mit der Vergangenheit Schluss machen. Löschen hilft.

Wenn du dich erinnern möchtest, erinnere dich. Dafür brauchst du keine Fotos, auf die du zufällig stößt. Ich habe ein paar ausgedruckt, die jetzt in einer Kiste schlummern. Dann greife ich sie mir- geplant. Du tauchst nicht auf, wenn ich meine Urlaubsbilder zeige. Kein „wer ist das?“ und keine fragenden Blicke. Kein Schlucken und kein Kloß im Hals. Ich habe dich nicht gelöscht, das weißt du. Das weiß ich. Ich habe nur das beseitigt, was der Vergangenheit ein Gesicht verlieh, was mich zusammenzucken ließ. Das was war wiederherstellen? Das geht nicht mehr. Nicht bei meiner Herzfestplatte. Mein Kopf sagt, da ist wieder Platz für Neues. Was sagt mein Herz?


 






„Nico hat da so hässliche Bilder mit Leuchttürmen in seiner Essecke hängen, lass dem mal neue machen!“
Nun hieß es Worte ausdrucken, Buchstaben ausschneiden, Schablonen auf die Leinwand legen und ausmalen. Stolz war kein Ausdruck nach all den Stunden.
„Maria, du wirst es nicht glauben, Nico hat aus London angerufen! Und jetzt rate mal, was er sich gekauft hat!“
K brauchte nicht weiterzureden. All die Stunden, die Blasen zwischen den Fingern von der Nagelschere.. und nun hatte er Ersatz für seine unschönen Leuchttürme und Palmen gefunden.
Er freute sich dennoch und aufhängen musste er die Bilder ja. So prangt unser Kunstwerk jetzt neben seinem Bett. Und das letzte, was er vor dem Einschlafen sieht sind seine Charaktereigenschaften (man munkelt, ob sie wohl alle auf ihn zutreffen) und unsere Namen. Gutgegangen- Amen.

Montag, 18. Oktober 2010




4:30 Uhr. Ich habe mich in eine Thermodecke eingewickelt und blicke auf den Fernseher. Eigentlich sehe ich nur bewegte Bilder mit vielen Farben, worum es geht, weiß ich nicht. Ab und zu schaut ein Feuerwehrmann zu mir hinein: „Kannst du nicht schlafen?“ Ich kann nicht schlafen, denn seit Schichtbeginn habe ich das Gefühl, dass ich noch heute reanimieren darf. M war davon nicht begeistert als ich ihm mitteilte, dass eine Rea heute doch sehr gut sei. „Maria, nimm das Wort nicht immer in den Mund. Bei B hast du‘s auch gesagt und dann hattet ihr eine.“ „M, wenn ich eine Rea bekomme, backe ich für euch einen Kuchen.“ 
Nun schläft er. Nicht mehr lange. 
Ich höre das Klicken, dann gehen die Lichter an und ich kneife meine Augen zusammen. Der Drucker spuckt den Zettel aus und der Pieper an meiner Hose schreit: „Alaaarm. Medizinischer Notfall..“, ich grinse. 
Atemnot- sicheres Reazeichen? Meistens.
M sagt nichts, steigt wortlos in den Wagen. 
M rennt ins Badezimmer, die Angehörige steht neben mir. Ich beobachte M, er fühlt den Puls, fühlt nichts, das sehe ich. Herr Atemlos wird in den Flur gezerrt und schon beginnen wir mit der Reanimation. Ich öffne den Rucksack und schmeiße alles was wir benötigen auf den Teppichboden. T- Shirt hoch und los gehts. Eins, zwei, drei... gezählt wird in der Realität nicht. Drücken bis der Arzt kommt. Es kracht nicht bei Herrn Atemlos. Ihn verschone ich vor unschönen Rippenbrüchen. Mir hingegen bricht der Schweiß aus. 
Nach einer halben Stunde haben wir ihn wieder. Sein Herz schlägt von alleine und das sehr gut. Nun bin ich nur noch mit dem Beatmen beschäftigt. Ich drücke immer wieder den Ambubeutel zusammen, meine Hand beginnt zu krampfen. Bis nach draußen schaffst du das noch. Wir geben Herrn Atemlos lebend gegen 6:30 Uhr auf der Intensivstation ab. Abzug. 
Ich habe geschlafen. Mein Rücken schmerzt und meinen rechten Arm kann ich kaum bewegen. Muskelkater vom Fitnessstudio? Uncool. Ich geh lieber reanimieren...

Samstag, 16. Oktober 2010

Es ist 15:30 Uhr, ich weiß! Aber ich kann so früh am Morgen nichts essen, weißt du doch! Lass mich nur eben kurz wachwerden. Auf Arbeit? War viel los, wir sind zehn Einsätze gefahren und heute ist - was ist heute für ein Tag? Samstag, danke. Dir auch eine schöne Nacht. Sehen uns morgen früh um zehn. Ja, da heißt es wieder schlafengehen. Kaffee?

Dienstag, 12. Oktober 2010

Guten Morgen!




Liebe M.


Ohne dich wäre ich leise, manchmal nicht heiser. Du bist meine Stimme, bestimmst meine Sinne. Ich könnte nie schreien vor Glück. Kein Zurückschauen ohne dich. Keine Gänsehaut, kein Traum vom Brautkleid. Keine tanzenden Schornsteine, keine schlafenden Hinterhöfe. 
Es wäre nur Blut in meinen Adern. Es würde verklumpen, stocken statt rocken. Mein Leben wäre nicht im Fluss ohne dich. Es gäbe nur wortlose Tränen und stimmloses Weinen. Wer sonst versetzt mir tausende von Nadelstiche durch eine Vielzahl von Tönen? Du trägst mich Note für Note durchs Leben. Gezupft wie gesprungen- ich liebe dich.

Du bist mein erster und mein letzter Gedanke. Bist vielleicht das Erste was ich hörte und wirst auch das Letzte sein. Damals waren meine Augen geschlossen und wenn ich gehe wird es genauso sein. Ich brauche keine Pauken und Trompeten zum Abtreten. Gestrichene Saiten werden reichen um mich über den Hades zu tragen.

Ich mag sie nicht öffnen, meine Lider. Brauche nur dich und deine Lieder. Lieber mit dir untergehen als ohne dich die Welt zu sehen.

Bis morgen früh- auf Wiedersehen!








Nicht zu fassen. Aus Kissen werden Kästen. Jetzt bin ich mal dran mit dem Jammern. Ich schimpfe nicht über die Politiker sondern beschwere mich über das Essen. Vermessen? -Nö. Entschuldigungspäckchen!




Montag, 11. Oktober 2010





"Guten Morgen Dr. Tortorollo,
och, find ich nett, dass Sie wieder die Kerze angezündet haben. Ich mag Ihre Praxis echt gerne. Die ganzen Steine und Kräuter..  Ach, wie es mir geht? Gut geht es mir. Ich spreche durch die Nase? Daaaaas. Ich spreche immer so. Da können Sie K fragen. Oder meine Schwester, oder meine Eltern. Deswegen nochmal krankschreiben? Ich soll mal tief einatmen? Kein Problem. Das mit dem Einatmen klappt. Nur Ausatmen darf ich nicht so sehr, sonst muss ich husten. Aber das mit dem Schleim hat sich erledigt, der ist fast raus. Warum wollen Sie meine Stirn anfassen? Da sind gerade meine Haare drüber, echt schlecht gerade. Temperatur? Könnte wärmer sein draußen! Ach meine? Durchschnittlich. Messen Sie ruhig, ich hab nie Fieber, das fühlt sich nur so an. Damit kriegen Sie mich nicht. Was muss ich noch tun? Ich bin hier hergelaufen, also werd ich es ja wohl mit der Bahn bis zur Arbeit schaffen. Was ich arbeite? Ich schlafe in Kleidung und Schuhen und ab und zu geht das Licht an. Dann fahre ich ne Runde um den Block, sammel Leute von der Straße und leg mich wieder aufs Ohr. Ist zu schaffen, oder? Mein Gott, ist doch nur ne Bronchitis. Ich raste nicht aus. Nein, ich werde auch nicht laut. Bin ich zu laut, sind Sie zu leise, so ist das!! Okay, ich setzte mich wieder. Und ja, andere Leute würden sich freuen, krankgeschrieben zu werden. ICH NICHT. Bitte provozieren Sie mich nicht, das macht mich krank. Nicht krank. Alles gut. Ich würde jetzt gerne wieder gehen. Ich mag Sie sehr gerne, ich komm auch wieder, da können Sie sich sicher sein. Da fragen Sie am besten auch K. Oder meine Schwester oder meine Eltern. Aber ich will Sie nun nicht weiter aufhalten. Ja, ich trinke weiter sehr viel. Mutter sagt, ich trinke wie ne Kuh. Also. Alles guti!! 
Ich finde zur Tür. Ganz schnell sogar." 

Samstag, 9. Oktober 2010





Sie wohnt in Neukölln - nicht du auch?


Freitag, 8. Oktober 2010


Nichts kann mir den Atem rauben. Kein Mann, keine Amputation, nichts. Doch nun ist er weg. Ich atme ein und dann stockt es. Ein- aus- ein -aus. Ganz schnell. Tränen treten aus meinen Augen. Vielleicht stehen sie hervor, quellen heraus. Da gibt es nichts mehr zum Einatmen und nichts mehr zum Ausatmen. Da gibt es nur noch mich und die Angst. Sie heißt Bronchitis und verpisst sich demnächst.




... ich mag bild.de!!

Charline haben wir sitzend vor einem tristen Plattenbau aufgefunden. Sie ist 11 Jahre alt und sprang vor wenigen Minuten noch durch die herumwirbelnden Blätter. Pferdchenspielen kann auch nach hinten losgehen. Nun wars das mit dem Gehen. Wir spielen Doktor und packen sie in den Rettungswagen. M stellt einige fragen, ich gehe nach dem DMS Schema vor, Durchblutung, Mobilität und Sensorik checken. Charline hat aufgehört zu weinen. Dafür bleibt ihr auch keine Zeit, wir verwickeln sie ständig in Gespräche. 
Ich: „Hast du auch Englisch in der Schule?“
Sie: „Ja klar!“
M: „Kannst du denn schon ein bisschen sprechen?“
Sie: „Ja.“
M: „Sag mal ICH HEISSE CHARLINE!“
Sie: „ICH HEISSE CHARLINE!“
Nicht M angucken, Maria. Aber ich brauche M gar nicht anzusehen, er kann sich das Lachen nicht verkneifen. Ende bekannt.

Donnerstag, 7. Oktober 2010





Der Praktikant- jetzt krank. Vom Retten ins Bette.. morgen mehr!


Dienstag, 5. Oktober 2010

Kinnhaken & Co.





Man hört nichts mehr von mir. Wenn ich mich melde, dann aus dem RTW. "Hallo Mama, hier ist Maria, wie geht's? Oh, ich muss aufhören, wurden abgefangen und fahren einen neuen Einsatz. Ich melde mich später!"
Morgens um 4 Uhr klingelt mein Wecker, dann springe ich unter die Dusche und anschließend zur Bahn. Dann verbringe ich 12 Stunden im Rettungswagen und fahre anschließend nachhause. Gegen halb neun am Abend betrete ich die Wohnung, lasse meine Tasche fallen und anschließend falle auch ich. Ins Bett. Und das ganze fünf Tage. Die besten und anstrengendsten Tage meines Lebens. Meine Geschichten wird mir niemand glauben. Ich treffe auf Menschen, von denen ich nie geahnt hätte, dass es sie gibt und sehe Wohnungen, in denen mir das Heulen kommt. Gerade könnte ich auch weinen, ich bin seit zwei Tagen krank und kämpfe gegen Fieber und Schnupfen. Die Atemnot ist heute noch dazugekommen. Und dennoch schleppe ich mich fünf Stockwerke zum Patienten, die Neugier und der Wissensdurst ist eben doch größer als der Verstand. Morgen muss ich noch einmal, dann habe ich fünf Tage frei. Dann folgen fünf Tage 12 Stunden Nachtdienst.

Oben ist einer meiner heutigen Einsätze zu sehen. Es bot sich ein sehr kurioses Bild. Der Mann versetzte mir am Einsatzort einen Kinnhaken, meinen ersten. Ich bin auf die Nachtschichten gespannt. Nun ist hier erst einmal Schicht im Schacht. Der Wecker wird auch morgen erbarmungslos sein. Gute Nacht.