Freitag, 19. August 2011

Leiden unter Eingeweiden.



Heute besuchen wir eine Leiche. Der Name GERICHTSMEDIZIN klingt ebenso spannend wie bedrohlich. Ich habe schlecht geschlafen, möchte kein Weichei sein. Die Kühlschranktür bleibt geschlossen. Nur Weicheier füllen ihren Magen, meiner bleibt flau.
Ich unterschreibe, dass nichts aus den kalten Hallen nach außen dringt. Ganze drei Stunden verbringe ich mit kontinuierlicher Übelkeit. Man zieht einem Menschen nicht seine Frisur über das Gesicht, man schneidet nicht mit einer Geflügelschere die Rippen entzwei und der Kochlöffel gehört in die Suppe und nicht in die Blase.
Einst waren es gierige Blicke in das Innere eines Menschen, heute sind es Augenblicke der Selbstbeherrschung. Es ist kein echter Mensch, zumindest ist er mausetot. Du hast schon so viele tote Menschen gesehen. Ich fasse den Magen an, das Herz, die Rippen. Faszination trifft Ekel. Es gibt nur einen Stuhl. Ich setze mich, versuche ausschließlich durch den Mund zu atmen. Die Pathologin drückt den Stuhl aus seinem Darm. Ich blicke lieber schnell zur Seite. Mein Blick bleibt am Gehirn hängen, das einsam auf dem Nachbartisch liegt. Mensch, du hast in diesem Moment aufgehört, ein Mensch für mich zu sein.
Sie stopfen Pappe in den leeren Schädel und nähen grob seinen Hinterkopf an seinem Gesicht fest.
Mit gesenktem Kopf laufe ich nachhause. Das Weichei wird nie Pathologin werden. 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen