Mittwoch, 13. Juli 2011

Schleichend.



Meine Turnschuhe tragen das selbe Weiß wie meine Kleidung. Ich sehe klar aus. Alle sehen gleich aus. Nur meine Schuhe quietschen ab und zu. Ich habe nicht so tolle Pseudoschaumsstoffkrokodilschuhe.
Die Patienten schlafen. Und da sie immer schlafen, nie aufwachen, ist es immer dunkel. Man hört nur ihr Atmen, die Maschine, die sie atmen lässt. Ich mag diese Station nicht. Mich stört nicht das „konservativ“ im Namen, alles nur Halbtote. Hier auf der Intensivstation. Intensive Pflege, wenig Leben. Würde man den ein oder anderen Schlauch kappen, wäre die Luft nicht nur knapp sondern schlichtweg weg. 
Eine Leiche zum Frühstück, zwei weitere werden folgen. Es ist eher ein Endlich als ein Traurig. Ich male in den Kurven herum, mein Stift hat nicht umsonst vier verschiedene Farben. 
Viele sind steif. Ich drehe sie wie ein Brett von rechts nach links. Zum Furzen reicht es aber noch. Ich unterdrücke den Ekel und appelliere an meine Achtung vor dem Menschen. 
Seit Wochen war ich nicht mehr so schlecht gelaunt. 
Ein Patient hat Besuch. Im gelben Gewand steht eine Frau an seinem Bett. Ich schreibe gelangweilt, kaugummikauend die Werte des Bettnachbarn auf. 
Sie erzählt ihm von ihrem Tag, von den Vögeln draußen. Von den Fortschritten seines Enkelkindes, von dem Leben ohne ihn. Ohne eine Reaktion seinerseits. Ohne eine Bewegung, einem Schmunzeln, einem Lachen. Er ist weit weg. Weit weg von einem gemeinsamen Leben. 
Ich trug das gelbe Gewand, vor acht Jahren. Streichelte über ein gelbes Gesicht. Versprach, hoffte, betete. Ich war mir sicher, er würde es schaffen. Die Kurve verschwimmt vor meinen Augen.
Seit Wochen habe ich nicht mehr so geweint.
Es ist ein Schleichen. Ich verlasse den Raum, sie bleibt noch zwei Stunden. Er ist die Leiche Nummer drei.


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