Freitag, 15. Juli 2011

Vom Sofa in den Kühlschrank.



Es ist 2 Uhr nachts. Alles wie immer heute, das selbe Licht, die selbe Ruhe, hier hinten im Rettungswagen. Ich gähne, blicke auf die Trage. Sonst sehe ich ab und zu auf den Brustkorb des Patienten. Heute ist es anders, ein anderes Licht, eine andere Ruhe. Der Schweiß auf meinem Rücken ist gerade wieder am trocken, ich wische den Dreck von meinen Knien. 
Sein Gesicht hatte vorhin noch alle Farben. Erst blau, dann rot, dann rosig, dann blau. Jetzt ist es weiß. Ein Patient, mit dem ich nicht geredet habe. 
Ich blicke auf die vielen Kabel, Spritzen, Monitore. Nichts zu überwachen, ich habe vorhin auf aus gedrückt, vorsichtig die Fast Patches von seiner Brust abgezogen. Er hat die Augen geschlossen. Ich atme tief durch die Nase ein, nein, es riecht nicht anders. 
An der Rettungsstelle angekommen steige ich erst einmal aus. Alle steigen aus. Der Kollege zieht die Trage aus dem Wagen. Und jetzt? Jetzt ziehen wir ihm die Decke auch übers Gesicht. 
Wir schieben ihn schnell. Durch die Notaufnahme, an der Intensivstation vorbei, durch einen langen Flur bis zum Schild der Pathologie. Vom Sofa in den Kühlschrank. Das ganze innerhalb einer Stunde. 
Es ist tatsächlich kalt. Ich denke noch kurz nach, was ich denn gerade so fühle, ich fühle nichts, also halte ich mich an der Trage fest und fahre mit hinein. 
Füße, Füße, Füße. Die Neugier schlägt die Angst und so laufe ich an den Baren entlang. Schreite viele Zehen ab.
Und dann geht das Licht aus.
Ich schreie. Drehe mich um. Reflexstreifen rennen Richtung Ausgang. Ich nehme meine Beine unter die Arme und laufe so schnell ich kann. Am liebsten hätte ich ihm in die Fresse geschlagen. 
Abgeschlagen sitze ich hinten auf der Stoßstange des Rettungswagen und beiße auf einem Plastikbecher herum. Er war 75 Jahre alt. Genau wie mein Vater. Das ist der Gedanke, der bleibt.



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