Sonntag, 26. September 2010

Beifahren.



Ich gehe nicht aber fahre mit jedem. Nicht abgefahren für die heutige Zeit. Zeit ist Geld und kein Geld bedeutet genügend Zeit. Dann nehme ich die sieben Stunden Autofahrt und gebe einem Unbekannten mein Vertrauen. Dabei traue ich nur mir selbst. Für mich bin ich der beste Autofahrer der Welt, für die anderen der weltschlechteste Beifahrer. Noch ein Wort und du steigst aus. Ich schlage dann vor, selbst fahren zu dürfen. Fahren statt fürchterlicher Angst. Als Beifahrer ist meine Gesundheit aufs äußerte gefährdet. Ich reagiere allergisch auf Späthochschalter und bei Motorabwürgern droht der anaphylaktische Schock. Bei Mutter ziehe ich Mundhalten dem angedrohten Kofferraum vor. Doch auch meine pantomimischen Fähigkeiten sind als Beifahrer nicht zu unterschätzen. Im Minutentakt tippe ich auf den Schalthebel, um Mutter zum Schalten zu animieren. Mit Hilfe meiner Arm- und Handbewegungen könnte ich sogar einen A380 sicher vom Berliner Hauptbahnhof zur Sonnenallee durch die Straßen lotsen. Eine Zeit lang hielt ich mit harter Kritik hinterm Berg und versuchte es mit Hilfe von komödiantischen Einlagen. Mutter bremst bei Ampeln gerne sehr abrupt ab. Ich nahm den ganzen Schwung mit (übertrieb natürlich schamlos) und knallte mit dem Kopf gegen das Armaturenbrett. Nächste Ampel, nächster Aufprall. Bei der kommenden Ampel war jedoch kein schauspielerisches Talent mehr nötig, da Mutter völlig unerwartet eine Vollbremsung hinlegte. Ein Schädelhirntrauma konnte danach ausgeschlossen werden und das Aus meiner Aktionen war eingetroffen.
Da der Zug zu teuer ist und ich auf die Mitfahrgelegenheit zurückgreife, muss ich meine beifahrerischen Auswüchse zügeln. Meine Kritik hängt von einigen Faktoren ab. Schöne und schnelle Autos stimmen mich gnädig, gut aussehende und wohlriechende Fahrer werden von mir eher angesehen als angegangen und interessante Gespräche lenken mein Interesse an Fahrfehlern auch mal schnell zu Farbfeldern. 
Letzte Woche dann der Optimalfall. Von Berlin nach Stuttgart im Audi A4 für 15 Euro. Der Fahrer war kein Rechengenie aber seine Rechnung ging voll und ganz auf. Du fährst 350 Kilometer und bist mit 15 Euro dabei. Dabei sein war hier alles. Nach 200 Kilometern gab der Fahrer zum Besten, dass er nachblind sei und so gut wie nichts sehen würde. Mein Beifahrerherz rutschte unter den Sitz und wenige Minuten später saß ich auf der Fahrerseite. Die letzten 500 km donnerte ich durch die Republik und setzte mich dann gegen 3 Uhr morgens in Stuttgart ab. 
Gerade sitze ich in einem neuen VW Jeep, der Fahrer männlich, 28, gutaussehend und wohlriechend. Gespräche gebraucht es nicht, seine Augen im Rückspiegel funkeln auch ohne Worte. Ich hatte einen Faktor vergessen. Vielleicht ist es der Vollkommenheitsfaktor. Wir hören Radiohead. 




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